Ein Judenhetzer in Davenport

18 August 1882

Die nachstehende Einsendung wäre jedenfalls ungedruckt geblieben, wenn sie nicht vom Einsender unterzeichnet, und dem Lokalredakteur dieses Blattes gestern Abend mit der dringenden Bitte um Aufnahme übergeben wäre. Sie mag daher hier - sicherlich nicht zu Ehre des Einsenders - Platz finden:

(Eingesandt)

Der erste Rechtsfundamentalsatz heißt: "Gleiches Recht für Alle", nur unser Stadtrath scheint diesen allgemeinen Rechtsgrundsatz nicht acceptiren zu wollen; während kein amerikanischer Bürger hier in Davenport ein Licens zum Hausiren unter 12 Monate gültig und unter 11 Dollar Gebühr erhalten kann, ertheilt unsere genannte Stadtvertretung jüdischen Flüchtlingen kostenfreie Licensen für 3 Monate.

Wie es hiernach den Anschein hat, sieht unser verehrlicher Stadtrath sehr mitleidsvoll auf die jüdischen Flüchtlingen herab. Sollte derselbe gar nicht wissen, wie diese jüdische Flüchtlinge schon in diesem Lande, schon in New York zur Landplage geworden sind? Arbeiten ist dieser Race im Allgemeinen verhaßt, aber übervortheilen in Handelverstehen sie so meisterhaft, daß man in Europa, unter den Augen der Regierung, sie der Volksjustiz überlaßt, weil man einsieht, daß es nicht so weiter mit dieser Secte gehen kann.

Nun ist es nicht genug, daß man diese Leute hier aufnimmt, nein, hier in Davenport läßt der Stadtrath dieselben 3 Monate lang kostenfrei das Hausirgewerbe ausüben, zum Nachtheil der hiesigen Licensinhaber, zum Nachtheil der hiesigen Einwohner, nur damit die jüdischen Flüchtlinge später mit gefüllten Taschen weiter ziehen können.

Es ist wirklich zu beklagen, wenn Personen oder Corporationen, denen die Macht gegeben ist, das Recht bei Seite schieben, und um so beklagenswerther, wenn, wie in diesem Falle, hiesige Einwohner darunter leiden müssen.

Unsern Mitbürgern aber möchten wir den Rath ertheilen, sorgfältig zu prüfen, was zum Verkaufe angeboten wird, und nicht so leicht den Geldbeutel zu ziehen, als der Stadtrath jüdischen Flüchtlingen kostenfreie Licensen ertheilt.

W. Bruhn

Man fragt sich erstaunt, ob die vorstehenden Zeilen wirklich in Davenport, in der freien Republik der Ver. Staaten, im Jahre 1882 geschrieben worden sind; - ob sie wirklich ein Bürger dieser Republik, dieses gelobten Landes der Verdrückten aller Länder, zum Verfasser haben, oder ob sie nicht in Balta oder Odessa geschrieben wurden. Die ganze civilisirte Welt hat sich and den Spenden für die unglücklichen betheiligt, welche der Fanatismus aus ihrem Vaterlande vertrieben hat, der Stadtrath von Davenport will auch sein Scherflein dazu beitragen, und erlaubt zwei armen Teufeln drei Monate lang unentgeltlich zu hausiren, damit sie das nackte Leben fristen können, und ein Bürger Davenport's, der auch einmal, ein Fremdling, hierher kam, um hier sein Fortkommen zu suchen und zu finden, tadelt den Stadtrath deßwegen! Welcher Geist der greulichsten Unduldsamkeit spricht aus den Worten des Einsenders, "daß man in Europa, unter den Augen der Regierung, sie der Volksjustiz überläßt, weil man einsieht, daß es so nicht weiter mit dieser Secte gehen kann." Volksjustiz nennt er die zu Himmel schreienden Greuelthaten der verthierten, im Schnapssuff, verkommenen russischen Bauern! Eine saubere Volksjustiz das, und eine saubere Regierung, die "unter ihren Augen" solches geschehen läßt. - Und dann zum Schlusse der Einsendung diese Warnung an die Bewohner der Stadt, genau aufzupassen, daß sie von einem armen Teufel, der durch einen kleinen Hausirhandel ein paar Cents verdienen will - denn mit den "gefüllten Taschen" hat's wohl noch gute Wege - nicht übervortheilt werden. Ist das Brodneid, oder was sonst?

Glücklicherweise kann getrost behauptet werden, daß der Einsender mit seinen Ansichten, die nach Südrußland aber nicht nach Davenport passen, allein steht. In Davenport ist kein Boden für eine Judenhetze nach russischem oder deutschem Muster. Dazu sind wir hier zu vernünftig, zu human and weit zu vorgeschritten. Und damit Basta.