Die Zunkunft der Einwanderung

25 Dezember 1884

Unleugbar weht gegenwärtig ein der europäischen Einwanderung ungünstiger Wind. Zahllose Fabriken stehen still. Tausende von Arbeitern sind ohne Beschäftigung. Und so scheint jeder Zuwachs an fleißigen Händen unwillkommen. Diese weltverbreitete, neuen Ankömmlingen unfreundliche Stimmung wirkt zunächst auf die Verhandlung der Einwandererfrage in Gesetzgebung und Verwaltung. In ihrer Unbestimmtheit überstrenge Congreßgesetze wurden zur Verhinderung der sogenannten Pauperimmigration erlassen. Andere noch strengere gegen die Imputation von Personen unter Arbeitscontrakt stehen in Aussicht. Die mit der Überwachung der transatlantischen Dampferbetrauten Bundesbehörden aber verschärfen die vorhandenen Bestimmungen noch durch gehässige Auslegung und Anwendung. Alles dieses wird von den großen östlichen, namentlich den New Yorker Blattern, natürlich wahrheitsgetreu berichtet. Sobald es über den Ocean kommt, fallen die Zeitungen Deutschlands, protestantische wie katholische darüber mit der lebhaften Beschreibung her, drucken es wieder ab, versehen es mit noch lebhafteren Farben und fügen saftige Kommentare bei. "Seht!" rufen sie, "wie Verbrecher behandeln sie die armen Zwischendeckspassagiere!" "Wer nicht einen Sack Geld mitbringt, findet vor den Augen dieser Yankees keine Gnade!" "Die Zeit ist unwiederbringlich vorbei, in der es ein Armer Arbeiter in Amerika zu Etwas bringen konnte!"

Derartige Warnungen, die in der Presse Deutschland's jetzt so zahlreich wie die dürren Blätter im Herbst zu finden sind, werden nach und nach dort ihre Wirkung haben. Abmahnende Briefe früher Eingewanderter werden hinzukommen, so daß sich schließlich ein Rückgang der europäischen Einwanderung, wie in den Jahren nach der Panik von 1873 entwickeln mag. Ob dies zu dauernder Verstopfung jeder Segensquelle führen wird, der dies Land Seine Große dankt? Wir glauben nicht. Zu einem Verbote der Einwanderung überhaupt ist das amerikanische Volk weder geneigt noch reif. Und was den Wandertrieb der europäischen Stämme, zumal des deutschen, anbetrifft, so wird er mit der wiederkehrenden Prosperität dieses Landesbrauch sicherlich wider aufleben. Es ist allerdings richtig, daß die von Bismarck geplante Eröffnung des ungeheuren, durchaus fruchtbaren Congogebietes mit der Zeit eine größere Zahl von Reichsangehörigen anziehen durfte. Allein erstens wird das tropische Klima Mittelafrikas den Deutschen nie so zu sagen wie unterermäßigtes. Und dann muß noch manches Jahr, ja manches Jahrzehnt dabeistehen bis der deutsche Arbeiter sich jedem nämlichen frohen Muht nach St. de Laonda einschiffen wird, mit dem er jetzt an Board des New Yorker Dampfers steigt."

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